Thomas Becker

Die Lust am Unseriösen
Zur politischen Unschärfe ästhetischer Erfahrung
BAND 202

Das Interessante im Trivialen


Die Lust am Unseriösen gehört zu den intellektuellen Grundhaltungen des 20. Jahrhunderts. Vorbereitet durch Pop Art, Minimal, Nouvelle Vague und Situationismus, erfasst sie die Kulturwissenschaften: Foucault wendet sich gegen den Seriositätsfetisch der Wissenschaften, Lacan und Derrida gegen die Verwissenschaftlichung von Psychoanalyse und Sprache. Zwar bestimmt eine solche Lust bereits den Gründungsakt der modernen Literatur, etwa bei Baudelaire, doch seit der Mitte des 20. Jahrhundert ändert sich die Politik des ästhetischen Regimes im Wechselspiel von „high and low“: Nutzt Duchamp mit der Kloschüssel noch einen trivialen Alltagsgegenstand, konvertiert die Pop Art mit dem Comic einen Gegenstand der populären Kultur, der ursprünglich aus der legitimen Kunst abgewandert ist. Die Entgrenzung der Kunst läuft nicht nur von legitimer zu „illegitimer“ Kultur, sondern ebenso in umgekehrte Richtung. Wo in der Kunst seither „der Tod des Autors“ ausgerufen und das Sampling von DJs als Referenz benannt wird, erklären sich DJs ihrerseits zu Autor*innen. Brechts Proklamation der technifizierten Autor*innenschaft taucht gerade dort auf, wo er sie gewiss nicht erwartet hätte – bei den virtuosen Ingenieuren des Sounds und im Underground des Comic. 

Thomas Beckers so materialreicher wie theoretisch präziser Essay zeigt: Zunehmende Unschärfe und Verkennungen zwischen „legitimer“ und „illegitimer“ Kunst werden zu Bedingungen intermedialer Differenzierung beider Bereiche.

Thomas Becker (geb. 1960) ist ein deutscher Kulturwissenschaftler und Philosoph. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Kulturgeschichte und Kulturtheorie, Mediengeschichte und Medientheorie, Feldsoziologie, Ästhetik und Wissenschaftssoziologie.

In den Warenkorb ...
Weitere Bücher